Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Annika Busch-Geertsema, Jessica LeBris, Gesa Matthes und Kerstin Stark einen praxistauglichen Ansatz vor, um die Gerechtigkeit von Verkehrswend-Maßnahmen in verschiedenen Dimensionen zu überprüfen. Der Ansatz sowie der Artikel sind im Kontext des Arbeitskreises „Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) entstanden.

Zusammenfassung

Vorgestellt wird ein praxistaugliches Instrument, um einen systematischen „zweiten Blick“ auf Verkehrswende-Maßnahmen mit einer Brille der Gerechtigkeit werfen zu können. Es kann dabei sowohl für die konzeptionelle Unterstützung bei Planung und Umsetzung, zur Reflexion während oder nach des Prozesses sowie für ein fortlaufendes Monitoring genutzt werden.

Anhand von drei Gerechtigkeitsdimensionen kann überprüft werden, welche Bevölkerungsgruppen von der Maßnahmen profitieren. Als Dimensionen dienen dabei Verteilungsgerechtigkeit, Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten und Verfahrensgerechtigkeit, die weiter ausdifferenziert und in einer einfach handhabbaren Matrix miteinander verschnitten wurden.

Um die Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten auszudifferenzieren, wird mit dem Persona-Ansatz gearbeitet. In einer Persona sind bestimmte Eigenschaften kombiniert, die Mobilitätsoptionen und -entscheidungen sowie Aktivitätsketten beeinflussen und einschränken können. Im Artikel wird eine Systematik für die Entwicklung eigener Personas vorgeschlagen, für die Anwendung können aber auch die bereits von den Autorinnen entwickelten Personas genutzt werden.

Im Artikel wird der Ansatz der Gerechtigkeitsdimensionen und der Personas genauer vorgestellt. Er kann hier heruntergeladen werden.

Außerdem kann das Bewertungswerkzeug einschließlich einer Nutzungsanleitung und Vorschlägen für Personas im Excel-Format auf der Seite des AK Mobilität der ARL heruntergeladen werden (nach unten scrollen).

Die Autorinnen freuen sich über Rückmeldung und ermutigen zur freien Verwendung und Weiterentwicklung.

Publikation

Mark, Laura; Busch-Geertsema, Annika; LeBris, Jessica; Matthes, Gesa; Stark, Kerstin (2023): Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen. In: Internationales Verkehrswesen 75 (4), S. 28–31.

Masterarbeit zur thematischen Klassifikation von Beteiligungsbeiträgen mit Active Learning

Im Rahmen seiner Masterarbeit im MA Informatik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat sich Boris Thome mit der Klassifikation von Beteiligungsbeiträgen nach den enthaltenen Themen beschäftigt. Diese Arbeit führt die Arbeit von Julia Romberg und Tobias Escher fort, indem eine feinere Einteilung der Beiträge nach Unterkategorien untersucht wurde.

Zusammenfassung

Politische Behörden in demokratischen Ländern konsultieren die Öffentlichkeit regelmäßig zu bestimmten Themen, doch die anschließende Auswertung der Beiträge erfordert erhebliche personelle Ressourcen, was häufig zu Ineffizienzen und Verzögerungen im Entscheidungsprozess führt. Eine der vorgeschlagenen Lösungen ist die Unterstützung der menschlichen Analyst*innen bei der thematische Gruppierung der Beiträge durch KI.

Überwachtes maschinelles Lernen (supervised machine learning) bietet sich für diese Aufgabe an, indem die Vorschläge der Bürger nach bestimmten vordefinierten Themen klassifiziert werden. Durch die individuelle Natur vieler öffentlicher Beteiligungsverfahren ist der manuelle Aufwand zur Erstellung der benötigten Trainingsdaten jedoch oft zu teuer. Eine mögliche Lösung, um die Menge der Trainingsdaten zu minimieren, ist der Einsatz von Active Learning. In unser vorherigen Arbeit konnten wir zeigen, dass Active Learning den manuellen Annotationsaufwand zur Kodierung von Oberkategorien erheblich reduzieren kann. In dieser Arbeit wurde nachfolgend untersucht, ob dieser Vorteil auch dann noch gegeben ist, wenn die Oberkategorien in weitere Unterkategorien unterteilt werden. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass einige der Unterkategorien sehr selten sein können und somit nur wenige Beiträge umfassen.

In der Evaluation verschiedener Methoden wurden Daten aus Online-Beteiligungsprozessen in drei deutschen Städten verwendet. Die Ergebnisse zeigen, dass die maschinelle Klassifikation von Unterkategorien deutlich schwerer ist als die Klassifikation der Oberkategorien. Dies liegt an der hohen Anzahl von möglichen Unterkategorien (30 im betrachteten Datensatz), die zusätzlich sehr ungleich verteilt sind. Im Fazit ist weitere Forschung erforderlich, um eine praxisgerechte Lösung für die flexible Zuordnung von Unterkategorien durch maschinelles Lernen zu finden.

Publikation

Thome, Boris (2022): Thematische Klassifikation von Partizipationsverfahren mit Active Learning. Masterarbeit am Institut für Informatik, Lehrstuhl für Datenbanken und Informationssysteme, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. (Download)

Masterarbeit zur automatisierten Klassifikation von Argumenten in Beteiligungsbeiträgen

Im Rahmen ihrer Masterarbeit im MA Informatik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat sich Suzan Padjman mit der Klassifikation von Argumentationskomponenten in Beteiligungsbeiträgen beschäftigt. Diese Arbeit führt die bisherige Arbeit unseres Teams fort, indem Fälle betrachtet werden, in denen argumentative Sätze sowohl einen Vorschlag als auch eine Zustandsbeschreibung enthalten können.

Zusammenfassung

Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren ermöglichen es den Bürger*innen, sich an kommunalen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, indem sie ihre Meinung zu bestimmten Themen äußern. Kommunen haben jedoch oft nur begrenzte Ressourcen, um eine möglicherweise große Menge an Textbeiträgen zu analysieren, welche zeitnah und detailliert ausgewertet werden müssen. Eine automatisierte Unterstützung bei der Auswertung kann daher hilfreich sein, z.B. um Argumente zu analysieren.

Bei der Klassifikation von argumentativen Sätzen nach Typen (hier: Vorschlag oder Zustandsbeschreibung) kann es vorkommen, dass ein Satz mehrere Komponenten eines Arguments beinhaltet. In diesem Fall besteht die Notwendigkeit einer Multi-Label Klassifikation, bei der mehr als eine Kategorie zugeordnet werden kann.

Um dieses Problem zu lösen, wurden in der Arbeit verschiedene Methoden zur Multi-Label Klassifikation von Argumentationskomponenten verglichen (SVM, XGBoost, BERT und DistilBERT). Im Ergebnis zeigte sich, dass BERT-Modelle eine macro F1-Vorhersagegüte von bis zu 0,92 erreichen können. Dabei weisen die Modelle datensatzübergreifend eine robuste Performance auf – ein wichtiger Hinweis auf den praktischen Nutzen solcher Verfahren.

Publikation

Padjman, Suzan (2022): Mining Argument Components in Public Participation Processes. Masterarbeit am Institut für Informatik, Lehrstuhl für Datenbanken und Informationssysteme, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. (Download)

Projektarbeit zur automatisierten Erkennung von Verortungen in Beteiligungsbeiträgen

Im Rahmen ihrer Projektarbeit im MA Informatik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat sich Suzan Padjman mit der Entwicklung von Verfahren zur automatisierten Erkennung von textuell beschriebenen Ortsangaben in Beteiligungsverfahren beschäftigt.

Zusammenfassung

Im Kontext der Verkehswende sind konsultative Verfahren ein beliebtes Hilfsmittel, um Bürger*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen und Anliegen zu vertreten und einzubringen. Insbesondere bei mobilitätsbezogenen Fragen ist ein wichtiger Anaylseaspekt der gesammelten Beiträge, welche Orte (z.B. Straßen, Kreuzungen, Rad- oder Fußwege) Probleme aufweisen und verbesserungswürdig sind, um die Mobilität nachhaltig zu fördern. Eine automatisierte Identifikation von solchen Verortungen hat das Potential, die ressourcenintensive manuelle Auswertung zu unterstützen.

Ziel dieser Arbeit war es daher, mithilfe von Methoden aus dem Natural-Language-Processing (NLP) eine automatisierte Lösung zur Identifikation von Verortungen zu finden. Dazu wurde eine Verortung als die Beschreibung eines konkreten Ortes eines Vorschlags definiert, welche auf einer Karte markiert werden könnte. Beispiele für Verortungen sind Straßennamen, Stadtteile und eindeutig zuordenbare Plätze, wie z.B. “in der Innenstadt” oder “am Ausgang des Hauptbahnhofs”. Reine Lagebeschreibungen ohne eine konkrete Ortszugehörigkeit wurden dagegen nicht als Verortung betrachtet. Methodisch wurde die Aufgabe als eine Sequence-Labeling-Aufgabe betrachtet, da Verortungen häufig aus mehreren hintereinanderfolgenden Token, sogenannten Wortsequenzen, bestehen.

Im Vergleich verschiedener Modelle (spaCy NER, GermanBERT, GBERT, dbmdz BERT, GELECTRA, multilingual BERT, multilingual XLM-RoBERTa) auf zwei deutschsprachigen Beteiligungsdatensätzen zur Radinfrastruktur in Bonn und Köln Ehrenfeld zeigte sich, dass GermanBERT die besten Ergebnisse erzielt. Dieses Modell kann Token, die Teil einer textuellen Ortsbeschreibung sind, mit einem vielversprechenden macro F1-Score von 0,945 erkennen. In zukünftiger Arbeit sollen die erkannten Textphrasen dann in Geokoordinaten überführt werden, um die erkannten Ortszugehörigkeiten von Vorschlägen auch kartenbasiert abbilden zu können.

Publikation

Padjman, Suzan (2021): Unterstützung der Auswertung von verkehrsbezogenen Bürger*innenbeteiligungsverfahren durch die automatisierte Erkennung von Verortungen. Projektarbeit am Institut für Informatik, Lehrstuhl für Datenbanken und Informationssysteme, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. (Download)

Der Einfluss von (Online-)Konsultationsverfahren auf Legitimitätsüberzeugungen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Policy & Internet gehen Tobias Escher und Bastian Rottinghaus der Frage nach, wie sich die Beteiligung an lokalen Konsultationsverfahren (zur Radverkehrsplanung) auf die Einstellung zur lokalen Politik auswirkt. Dazu untersuchten sie im Jahr 2018 insgesamt drei Beteiligungsverfahren, in denen die Städte Bonn, Köln (Bezirk Ehrenfeld) und Moers ihre Bürger*innen zur lokale Radinfrastruktur konsultiert haben. Dazu konnten die Bürger*innen jeweils für fünf Wochen auf einer Online-Plattform Vorschläge einreichen, kommentieren und bewerten. Insgesamt wurden so über 3.000 Vorschläge gesammelt, die in die spätere Radverkehrsplanung einfließen sollten (siehe weitere Informationen zum Projekt der Raddialoge).

Zusammenfassung

Um Legitimität für Policies und politische Institutionen zu schaffen, beziehen Regierungen die Bürger*innen regelmäßig in den Entscheidungsprozess ein, zunehmend auch mit Hilfe des Internets. Diese Studie untersucht, ob sich Online-Beteiligung tatsächlich positiv auf die Legitimitätsüberzeugungen der beteiligten Bürger*innen auswirkt und welche konkreten Aspekte des Beteiligungsprozesses, der einzelnen Teilnehmenden und des lokalen Kontexts zu diesen Veränderungen beitragen. Unsere Befragungen von Teilnehmenden an nahezu identischen Online-Konsultationen in drei deutschen Kommunen zeigen, dass der Beteiligungsprozess und die von ihm erwarteten Ergebnisse einen erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit mit lokalpolitischen Institutionen und kommunaler Politik haben. Während die meisten Teilnehmenden zumindest von etwas positiveren Einschätzungen berichten, die hauptsächlich von der Einschätzung der Wirkungen abhängen, führt die Beteiligung an dem Prozess für einige nicht zu mehr, sondern sogar zu weniger Legitimität. Dies gilt sowohl für die Teilnehmenden, die sich nicht öffentlich äußern, als auch für diejenigen, die sich intensiv beteiligen. Unsere Ergebnisse bestätigen auch die wichtige Rolle verfügbarer individueller Ressourcen und kontextbezogener Einstellungen wie Vertrauen in und Zufriedenheit mit der lokalen (nicht der nationalen) Politik. Schließlich zeigt unsere Analyse, dass Online-Beteiligung in der Lage ist, konstruktive Diskussionen zu ermöglichen, nützliche Ergebnisse zu liefern und Menschen zur Partizipation zu bewegen, die sich offline nicht beteiligt hätten.

Ergebnisse

  • Die von uns untersuchten Beteiligungsverfahren, zu denen die Stadt jeweils ihre Bürger*innen eingeladen hat, haben tatsächlich einen Einfluss auf die Einstellungen derjenigen, die sich an solchen Konsultationen beteiligen.
  • Für viele der Teilnehmenden tritt der erhoffte positive Effekt ein: Sie äußern sich positiver zu den lokalen Institutionen (Bürgermeister, Verwaltung) und der lokalen Politik insgesamt. Entscheidend für die Einschätzung ist dabei, ob man erwartet, dass die Politik die Vorschläge der Bürger*innen auch ernst nimmt und umsetzt. Das Ergebnis ist also wichtiger als der Prozess selbst.
  • Ein wichtiges Ergebnis ist: Beteiligungsprozesses können diese positive Wirkung auch für diejenigen entfalten, die zunächst eher unzufrieden mit der lokalen Politik sind. Dennoch spielt die bisherige Erfahrung mit der Politik vor Ort eine Rolle: Wer bereits eine höhere Zufriedenheit und ein höheres Vertrauen zur Kommune hat, der oder die wird durch Beteiligung bestärkt.
  • Gleichzeitig kann Partizipation auch zu weniger Zufriedenheit führen. Nachweisen konnten wir das zum einen für diejenigen, die sich intensiv in das Beteiligungsverfahren einbringen und sehr viele Vorschläge gemacht haben. Im Schnitt war diese Gruppe am Ende weniger zufrieden, wohl auch deshalb, weil ihre Erwartungen an den Einfluss ihrer Mühe enttäuscht wurden. Unzufriedener wurden auch diejenigen, die sich nicht aktiv eingebracht haben, sondern sich das Online-Verfahren nur angeschaut haben, ohne selbst Vorschläge zu machen. Diese Personen haben sich offenbar vor allem daran gestört, dass der Prozess ausschließlich online stattgefunden hat.
  • Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse aber, dass solche Online-Parizipationsverfahren nicht nur konstruktive Beteiligung ermöglichen, sondern dass dadurch zusätzlich Gruppen erreicht werden: Fast die Hälfe der Befragten hätte sich nicht beteiligt, wenn das Verfahren nur mit Vor-Ort Formaten durchgeführt worden wäre.

Publikation

Escher, Tobias; Rottinghaus, Bastian (2023). Effects of online citizen participation on legitimacy beliefs in local government. Evidence from a comparative study of online participation platforms in three German municipalities. In: Policy & Internet 16(1): 173-208. DOI: 10.1002/poi3.371.

Masterarbeit zu Schüler*innenpartizipation während der Corona-Pandemie

Im Rahmen ihrer Masterarbeit im MA Sozialwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat sich Maria Antonia Dausner mit den Herausforderungen von Schüler*innenpartizipation während der Corona-Pandemie beschäftigt, und dabei ausgewählte Grundschulen in NRW in den Blick genommen.

Zusammenfassung

Partizipation von Schüler:innen ist sowohl rechtlich in der UN-Kinderrechtekonvention verankert als auch aus demokratiepädagogischen und entwicklungspsychologischen Gründen von Bedeutung. In der Schule gibt es jedoch vielfältige Herausforderungen und Risiken, die diese im Alltag erschweren und dazu führen, dass Schüler:innenpartizipation oft nicht umfänglich gewährleistet wird. Während der Covid-19 Pandemie und den damit verbundene Schulschließungen wurde der Schulalltag unterbrochen und kollektive Lernprozesse konnten nicht stattfinden. Mit Bezug auf den komplexen Charakter von Schüler:innenpartizipation stellt sich daher die Frage, welche Folge die Herausforderungen im Rahmen der Schulschließungen und dem Online-Unterricht für Schüler:innenpartizipation haben. Es ist davon auszugehen, dass Schüler:innenpartizipation nicht in demselben Umfang weitergeführt wurde. Daher ist insbesondere von Interesse, welche Beispiele guter Schüler:innenpartizipation es gibt und wie diese aussehen können. Dazu wird folgende konkrete Forschungsfrage gestellt: Wie konnte gute Schüler:innenpartizipation während den Covid-19 bedingten Schulschließungen aussehen?

Um diese Frage zu beantworten, wurden qualitative leitfadengestützte Interviews an drei Grundschulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Diese Schulen wurden ausgewählt, da aufgrund ihrer Teilnahme am Landesprogramm-Kinderrechteschulen davon auszugehen ist, dass Schüler:innenpartizipation ein großer Stellenwert beigemessen wird. Es wurden insgesamt sechs Interviews mit der Schulleitung und Lehrkräften sowie Schüler:innen geführt, die nach dem Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring ausgewertet werden.

Anhand verschiedener Dimensionen von Partizipation zeigte sich, dass weniger Partizipationsformate weitergeführt wurden, Partizipation weniger intensiv war und Schüler:innen bei weniger Themen mitbestimmen konnten. Bei der Frage, was rückblickend hätte anders gemacht werden können, wurde gesagt, dass es kaum Verbesserungsvorschläge gibt und nichts anders gemacht worden wäre. Daran wird die Diskrepanz zwischen theoretischer Relevanz und praktischer Umsetzung deutlich und stellt insbesondere die Bedeutung von Schüler:innenpartizipation in Frage. Zudem zeigte sich, dass Schüler:innenpartizipation abhängig von dem Willen der Erwachsenen ist, diese zu ermöglichen und umfänglich umzusetzen. Eine konkrete Möglichkeit, Schüler:innenpartizipation weiterzuführen, stellte einen Wechsel in den digitalen Raum und das Nutzen von Lernplattformen sowie Videokonferenzen dar. Hier eröffnete sich ein neues Potential für Schüler:innenpartizipation, welches es zukünftig auszuschöpfen gilt. Trotz der Herausforderungen wurden teilweise auch in informellen Formaten Partizipationsmöglichkeiten für Schüler:innen geschaffen. Diese ermöglichten Raum für Austausch und Zusammenkommen, was vor dem veränderten (Schul-)Alltag der Schüler:innen von besonderer Bedeutung ist.

Publikation

Dausner, Maria Antonia (2022): Möglichkeiten von Schüler:innenpartizipation während den Covid-19 bedingten Schulschließungen – eine Analyse am
Beispiel von Grundschulen in Nordrhein-Westfalen. Arbeit zur Erlangung des M.A. Sozialwissenschaften am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. (Download)

Inklusive Demokratie, Nachhaltige Demokratie?

Dissertation von Katharina Holec

In meiner Dissertation an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf untersuche ich die Effekte deskriptiver und substantieller Repräsentation in und durch Beteiligungsverfahren auf die Legimitätseinstellungen von Bürger*innen.

Zusammenfassung

Legitimität – als Summe individueller Überzeugungen über die Angemessenheit und Akzeptanz einer politischen Gemeinschaft, ihres Regimes und ihrer Autoritäten – ist das Schlüsselelement zur Stabilisierung demokratischer Systeme. Unzufriedenheit mit der Demokratie nehmen jedoch zu und in der Bevölkerung entstehen leicht Vorstellungen von Demokratie, die sich voneinander unterscheiden können. Es scheint für ein langfristig stabiles und nachhaltiges politisches System nicht mehr sinnvoll Partizipationsmöglichkeiten auf Wahlen zu beschränken.

Zur Lösung dieser „Legitimitätsproblem“ schlagen viele Demokratietheoretiker und -forscher mehr Möglichkeiten der politischen Beteiligung am demokratischen Prozess vor. Konsultationen sind ein Mittel, das von den Kommunen häufig eingesetzt wird, um die Zufriedenheit und das Verständnis für politische Prozesse zu erhöhen. Doch die konsultative Beteiligung verspricht oft mehr als sie halten kann. Wie jede politische Beteiligung ist auch die Konsultation verzerrt. Die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft beeinflusst, wer sich beteiligt. Und wer teilnimmt, beeinflusst letztlich auch das Ergebnis eines Prozesses. Das Risiko, marginalisierte Stimmen im Prozess zu verlieren, ist in diesen Prozessen hoch.
In meine Dissertationsprojekte möchte ich ein detailliertes Verständnis der Vorteile des Einbezugs dieser Stimmen für die Überzeugung von der lokalen demokratischen Legitimität entwickeln. Orientiert an den Ideen von Hannah Pitkin (1972) zur deskriptiven und substantiellen Repräsentation in der Politik entwickle ich ein Modell, dass diese Aspekte im Kontext konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung an der Verkehrswende misst und darstellt.

Ich schaue mir dabei folgende Fragen im Detail an:
(a) Erhöht die deskriptive Repräsentation im Input eines konsultativen Beteiligungsprozesses die substanzielle Repräsentation im Ergebnis eines politischen Prozesses?
(b) Wie wichtig sind deskriptive und substanzielle Repräsentation für die Stärkung der Legitimitätsüberzeugungen nach dem politischen Prozess?

Dabei konzentriere mich speziell auf drei Ebenen des politischen Entscheidungsprozesses: (1) die Input-Ebene, auf der ich die deskriptive Repräsentation für relevant halte, (2) die Throughput-Ebene, auf der ich die substanzielle Repräsentation als „speaking for“ für relevant halte, und (3) die Outcome-Ebene, auf der ich die substanzielle Repräsentation als „acting for“ durch die lokalen Kommunen für relevant halte. Während ich (1) und (2) als relevante Kriterien für die Erhöhung der Legitimitätsüberzeugung durch die Verbesserung des politischen Prozesses betrachte (prozedural), halte ich (3) für die Erhöhung der Legitimitätsüberzeugung durch die Verbesserung der realen Lebensbedingungen für relevant (substanziell).

Inklusiv, transparent und effektiv? Partizipation und prozedurale Gerechtigkeit

In einer Präsentation auf dem Jahreskongress der AESOP (Assosiation of European Schools of Planning) im Jahr 2023 in Łódź stellten Katharina Holec, Laura Mark und Tobias Escher Ergebnisse der konsultativen Beteiligung an einem Konsultationsverfahren vor. Dabei sollte es darum gehen, ob dieses Verfahren zu prozeduraler Gerechtigkeit beitragen konnte.

Zusammenfassung

Konsultative Beteiligung stellt ein häufig genutztes Werkzeug zur Korrektur traditioneller Ungleichheiten in der Planung dar. Es wird häufig zur Aushandlung alltagsrelevanter Konflikte genutzt. Dabei sind Bürger*innen dazu angehalten, ihre Interessen und Ideen zu äußern. Zudem versprechen sich lokale Verwaltungen einen Zuwachs an Legitimität. Prozedurale Gerechtigkeit kann dabei als wichtiger Aspekt für den erwünschten Akzeptanzzuwachs gesehen werden. Die Unterrepräsentation bestimmter sozio-ökonomischer Gruppen im Input konsultativer Beteiligung ist dabei eine der Hauptherausforderungen für prozedurale Gerechtigkeit.

An einer Fallstudie, die die Gruppe CIMT in den letzten Jahre wissenschaftlich begleitet hat, untersuchen wir in einem mixed methods Design den Beitrag von Partizipation zu prozeduraler Gerechtigkeit und deren Wahrnehmung durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Die zugrundeliegenden Kriterien beschäftigen sich vor allem mit Fragen nach Inklusivität, Transparenz und der Policy Wirkung, die als Teilaspekte prozeduraler Gerechtigkeit konzeptualisiert werden.

Obwohl Inklusivität erklärtes Ziel der Organisator*innen war, wird diese im Input des Prozesses – also bei der Frage, wer sich beteiligt – kaum erreicht. Etwas besser sah es mit der Inklusivität auf der Throughput Ebene aus. Diskussionen waren gut organisiert und wurden auch von Bürger*innen durchaus positiv wahrgenommen. Schaut man sich die Evaluation der Transparenz des Prozesses selbst an, wird dieser von den Teilnehmenden durchaus positiv bewertet. Einschränkungen gibt es bei der Bewertung der Transparenz des Ergebnisses und der Kommunikation anschließend an den Prozess. Ein Policy Effekt ist deutlich vorhanden und wird dabei vornehmlich von durch die Partizipierenden wahrgenommen. Dieser bleibt allerdings beschränkt auf nicht-essentielle Fragen des Prozesses.

Wesentliche Ergebnisse

  • Der Konsultationsprozess hat zwar u.a. mit einer Überrepräsentation spezifischer marginalisierter Gruppen gearbeitet, scheitert aber daran niedriger gebildete und nicht männliche Personen einzubinden. Etwas besser sieht die Bewertung der Inklusivität während des Prozesses aus.
  • Der Konsultationsprozess wurde mit zeitnaher Veröffentlichung von Ergebnissen der einzelnen Verfahrensschritte durchgeführt und wird auch insgesamt als transparent wahrgenommen mit wenig Unterschieden zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Menschen mit Behinderung sind etwas kritischer. Die Bewertung der Transparenz der Ergebnisse ist etwas negativer.
  • Effekte auf die politische Entscheidung lassen sich darin finden, dass der Prozess die progressiven Ideen der Verwaltung gestärkt und unterstützt hat. Einflüsse der Partizipation bestanden eher auf einzelne Fragen, wie die Verortung von Radwegen oder Bushaltestellen.
  • Dieser Effekt wird stärker durch die Teilnehmenden wahrgenommen.

Übersicht über Ansätze computerbasierter Textanalyse zur Unterstützung der Auswertung von Beiträgen aus Öffentlichkeitsbeteiligungen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Digital Government: Research and Practice geben Julia Romberg und Tobias Escher einen Überblick über automatisierte Techniken die bereits zur Unterstützung der Auswertung von Beiträgen in Beteiligungsprozessen verwendet wurden. Auf Basis einer systematischen Literaturstudie bewerten sie die Leistungsfähigkeit der bisher eingesetzten Verfahren und zeigen weiteren Forschungsbedarf auf.

Zusammenfassung

Öffentliche Institutionen, die Bürger*innen im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse konsultieren, stehen vor der Herausforderung, die Beiträge der Bürger*innen auszuwerten. Unter demokratischen Aspekten ist diese Auswertung von wesentlicher Bedeutung, benötigt gleichzeitig aber umfangreiche personelle Ressourcen. Eine bislang noch zu wenig erforschte Lösung für dieses Problem bietet die Nutzung von künstlicher Intelligenz, wie beispielsweise computer-unterstützter Textanalyse. Wir identifizieren drei generische Aufgaben im Auswertungsprozess, die von der automatisierten Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) profitieren könnten. Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche in zwei Datenbanken zu Computerlinguistik und Digital Government geben wir einen detaillierten Überblick über die existierenden Ansätze und deren Leistungsfähigkeit. Auch wenn teilweise vielversprechende Ansätze existieren, beispielsweise um Beiträge thematisch zu gruppieren oder zur Erkennung von Argumenten und Meinungen, so zeigen wir, dass noch bedeutende Herausforderungen bestehen, bevor diese in der Praxis zuverlässig zur Unterstützung eingesetzt werden können. Zu diesen Herausforderungen zählt die Qualität der Ergebnisse, die Anwendbarkeit auf nicht-englischsprachige Korpora und die Bereitstellung von Software, die diese Algorithmen auch Praktikter*innen zugänglich macht. Wir diskutieren verschiedene Ansätze zur weiteren Forschung, die zu solchen praxistauglichen Anwendungen führen könnten. Die vielversprechendsten Ansätze integrieren die Expertise menschlicher Analyst*innen, zum Beispiel durch Ansätze des Active Learning oder interaktiver Topic Models.

Ergebnisse

  • Es gibt eine Reihe von Aufgaben im Auswertungsprozess, die durch die automatisierte Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) unterstützt werden könnten. Dazu gehören i) die Erkennung von Duplikaten, ii) die thematische Gruppierung von Beiträgen, und iii) die detaillierte Analyse einzelner Beiträge. Der Großteil der Literatur in dieser Literaturstudie konzentriert sich auf die automatisierte Erkennung und Analyse von Argumenten, einen Aspekt der detaillierten Analyse einzelner Beiträge.
  • Wir stellen eine umfangreiche Zusammenfassung der genutzten Datensätze und der verwendeten Algorithmen vor, und bewerten deren Leistungsfähigkeit. Trotz der ermutigenden Ergebnisse wurde die deutlichen Entwicklungssprünge, in den letzten Jahren im NLP-Bereich erfolgt sind, bislang kaum für diesen Anwendungsfall genutzt.
  • Eine besondere auffällige Lücke besteht in der mangelnden Verfügbarkeit von Anwendungen, die Praktiker*innen die einfache Nutzung von NLP-basierten Verfahren für die Auswertung ihrer Daten erlauben würden.
  • Der Aufwand zur Erstellung von annotierten Daten, die zum Training von Modellen des maschinellen Lernens notwendig sind, kann dazu führen, dass sich die erhofften Effizienzvorteile einer automatisierten Auswertung nicht einstellen.
  • Wir empfehlen verschiedene vielversprechendsten Ansätze zur weiteren Forschung. Viele davon integrieren die Expertise menschlicher Analyst*innen, zum Beispiel durch Ansätze des Active Learning oder interaktiver Topic Models.

Publikation

Romberg, Julia; Escher, Tobias (2023). Making Sense of Citizens’ Input through Artificial Intelligence: A Review of Methods for Computational Text Analysis to Support the Evaluation of Contributions in Public Participation. In: Digital Government: Research and Practice 5(1): 1-30. DOI: 10.1145/3603254.

Verkehrswende durch Öffentlichkeitsbeteiligung? Policy-Wirkung diskursiver, konsultativer Invited Spaces am Beispiel zweier Verkehrsplanungsprojekte in Hamburg

Doktorarbeit von Laura Mark

In meinem Dissertationsprojekt an der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen (2019 – 2025) habe ich anhand zweier Fallstudien die inhaltliche Wirkung konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung auf verkehrsplanerische Entscheidungen und die Implikationen für die Verkehrswende untersucht.

Nach der erfolgreichen Disputation im Februar 2025 wird die Arbeit in den folgenden Monaten veröffentlicht.

Zusammenfassung

Eine partizipativ gestaltete sozial-ökologische Verkehrswende ist dringend nötig. Bei Verkehrsplanungen der öffentlichen Hand erfolgt die Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit hauptsächlich über konsultative top-down Formate (Invited Spaces). Damit wird der Anspruch verbunden, dass die Öffentlichkeit die Planung inhaltlich beeinflusst oder sogar ‚verbessert‘. Ob und unter welchen Bedingungen das der Fall ist, ist aber insbesondere im Kontext der Verkehrswende unklar. Untersucht wird in dieser Arbeit die Policy-Wirkung von Beteiligung, also deren inhaltliche Wirkung auf Verkehrsplanung. Insbesondere wird untersucht, unter welchen Umständen Beteiligung inhaltlich wirkungsvoll ist und, inwiefern diese Wirkung ein Potential für die Verkehrswende darstellen kann.
Detailliert untersucht werden dazu zwei Hamburger Fallstudien mit unterschiedlichen partizipativen Herangehensweisen: Erstens die Überplanung der Elbchaussee und zweitens die autoarme Gestaltung des Stadtteils Ottensen. Angelehnt an den methodischen Ansatz des Process Tracing wird anhand theoretisch ausgearbeiteter Mechanismen-Skizzen für beide Fallstudien detailliert rekonstruiert, ob und wie Policy-Wirkung zustande kommt. Dies wird anhand theoretisch aus dem Leitbild der Integrierten Verkehrsplanung hergeleiteter Kriterien für Ergebnis- und Prozessdimension bewertet. Die Analyse basiert auf einer Kombination verschiedener qualitativer Daten, nämlich Interviews, Medienanalyse, Dokumentenanalyse und teilnehmender Beobachtung, sowie quantitativer Befragungsergebnisse aus dem Forschungsprojekt CIMT.

Ergebnisse

Aus der vergleichenden Auswertung wird abgeleitet, dass Invited Spaces signifikante Policy-Wirkung haben können, dies aber voraussetzungsreich ist. Die konzeptionelle Unterscheidung dreier Wirkmechanismen wird vorgeschlagen, nämlich erstens die ‚freiwillige‘ Einarbeitung von Expertise von planerisch-administrativer Seite, zweitens die Ausrichtung der Planung an den Grundaussagen der Beteiligung von Seiten der Politik (Kompassfunktion), und drittens die Erzeugung von Druck von Seiten der Öffentlichkeit. Zudem wird die implizite Begrenzung des möglichen Einflusses der Bevölkerung (Nicht-Entscheidung) als gegenläufiger Mechanismus identifiziert. Den Ergebnissen aus den Fallstudien zufolge sind für Policy-Wirkung insbesondere Faktoren auf Ebene von Kontext und Planungsprozess und deren Zusammenwirken relevant und geben der Beteiligung mehr oder weniger Policy-Relevanz. Bezüglich der Verkehrswende kommt diese Arbeit zu dem Schluss, dass Invited Spaces ein Potential haben, zu dieser beizutragen, wenn bereits der politische Wille und Unterstützung aus der Gesellschaft vorhanden ist, aber nur in Kombination mit Claimed Spaces dazu geeignet sind, autogerechte Strukturen aufzubrechen
Über die detaillierte Untersuchung der Wirkbeziehungen und die normative Einbettung tragen die Erkenntnisse zum Verständnis von Potentialen und Grenzen von Invited Spaces im Kontext der Verkehrswende bei. Sie knüpfen damit an Diskurse in den Planungs- und Politikwissenschaften an und können Ausgangspunkt für praktische Überlegungen zur Beteiligung an der Verkehrswende sein.