Doktorarbeit von Laura Mark
In meinem Dissertationsprojekt an der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen (2019 – 2025) habe ich anhand zweier Fallstudien die inhaltliche Wirkung konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung auf verkehrsplanerische Entscheidungen und die Implikationen für die Verkehrswende untersucht.
Nach der erfolgreichen Disputation im Februar 2025 wird die Arbeit in den folgenden Monaten veröffentlicht.
Zusammenfassung
Eine partizipativ gestaltete sozial-ökologische Verkehrswende ist dringend nötig. Bei Verkehrsplanungen der öffentlichen Hand erfolgt die Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit hauptsächlich über konsultative top-down Formate (Invited Spaces). Damit wird der Anspruch verbunden, dass die Öffentlichkeit die Planung inhaltlich beeinflusst oder sogar ‚verbessert‘. Ob und unter welchen Bedingungen das der Fall ist, ist aber insbesondere im Kontext der Verkehrswende unklar. Untersucht wird in dieser Arbeit die Policy-Wirkung von Beteiligung, also deren inhaltliche Wirkung auf Verkehrsplanung. Insbesondere wird untersucht, unter welchen Umständen Beteiligung inhaltlich wirkungsvoll ist und, inwiefern diese Wirkung ein Potential für die Verkehrswende darstellen kann.
Detailliert untersucht werden dazu zwei Hamburger Fallstudien mit unterschiedlichen partizipativen Herangehensweisen: Erstens die Überplanung der Elbchaussee und zweitens die autoarme Gestaltung des Stadtteils Ottensen. Angelehnt an den methodischen Ansatz des Process Tracing wird anhand theoretisch ausgearbeiteter Mechanismen-Skizzen für beide Fallstudien detailliert rekonstruiert, ob und wie Policy-Wirkung zustande kommt. Dies wird anhand theoretisch aus dem Leitbild der Integrierten Verkehrsplanung hergeleiteter Kriterien für Ergebnis- und Prozessdimension bewertet. Die Analyse basiert auf einer Kombination verschiedener qualitativer Daten, nämlich Interviews, Medienanalyse, Dokumentenanalyse und teilnehmender Beobachtung, sowie quantitativer Befragungsergebnisse aus dem Forschungsprojekt CIMT.
Ergebnisse
Aus der vergleichenden Auswertung wird abgeleitet, dass Invited Spaces signifikante Policy-Wirkung haben können, dies aber voraussetzungsreich ist. Die konzeptionelle Unterscheidung dreier Wirkmechanismen wird vorgeschlagen, nämlich erstens die ‚freiwillige‘ Einarbeitung von Expertise von planerisch-administrativer Seite, zweitens die Ausrichtung der Planung an den Grundaussagen der Beteiligung von Seiten der Politik (Kompassfunktion), und drittens die Erzeugung von Druck von Seiten der Öffentlichkeit. Zudem wird die implizite Begrenzung des möglichen Einflusses der Bevölkerung (Nicht-Entscheidung) als gegenläufiger Mechanismus identifiziert. Den Ergebnissen aus den Fallstudien zufolge sind für Policy-Wirkung insbesondere Faktoren auf Ebene von Kontext und Planungsprozess und deren Zusammenwirken relevant und geben der Beteiligung mehr oder weniger Policy-Relevanz. Bezüglich der Verkehrswende kommt diese Arbeit zu dem Schluss, dass Invited Spaces ein Potential haben, zu dieser beizutragen, wenn bereits der politische Wille und Unterstützung aus der Gesellschaft vorhanden ist, aber nur in Kombination mit Claimed Spaces dazu geeignet sind, autogerechte Strukturen aufzubrechen
Über die detaillierte Untersuchung der Wirkbeziehungen und die normative Einbettung tragen die Erkenntnisse zum Verständnis von Potentialen und Grenzen von Invited Spaces im Kontext der Verkehrswende bei. Sie knüpfen damit an Diskurse in den Planungs- und Politikwissenschaften an und können Ausgangspunkt für praktische Überlegungen zur Beteiligung an der Verkehrswende sein.