Kommunale Mobilitätswende im Gegenwind? Gemeinsame Abschlussveranstaltung der SÖF-Nachwuchsgruppen CIMT und MoveMe am 26. April 2024

Hintergrund

In den Kommunen vor Ort wird sich mitentscheiden, ob die dringend benötigte Wende zur nachhaltigen Mobilität gelingt oder scheitert, da hier viele der dafür notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dabei lösen viele Maßnahmen, zum Beispiel zur Aufteilung von Straßenräumen oder auch Mobilitätsinnovationen wie E-Tretroller, vielerorts heftige Kontroversen aus. Nicht zuletzt deshalb fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) seit 2019 zwei Nachwuchsgruppen, die Pfade für eine kommunale Mobilitätswende erforschen.

Die Gruppe CIMT an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konzentriert sich dabei vor allem auf die Rolle von Beteiligung (v.a. der Konsultation) von Bürger*innen, während die Gruppe MoveMe an der TU Dortmund und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen ihren Fokus auf unterschiedliche Raumtypen (Stadt vs. Umland) legt und dabei insbesondere die Rolle (v.a. digitaler) Schlüsselinnovationen untersucht. Auf der gemeinsamen Abschlussveranstaltung am 26. April diesen Jahres haben beide Gruppen nun Ergebnisse aus Ihrer Arbeit präsentiert. Insgesamt nahmen an der dreistündigen Veranstaltung fast 100 Personen aus Verwaltung, Planung und Wissenschaft teil.

Ergebnisse

Den Auftakt bildete eine Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Difu Berlin), in der sie vor allem auf die zahlreichen verwaltungsinternen Hindernisse für eine Mobilitätswende einging wie komplexe interne Verwaltungsstrukturen und durch Bundesrecht beschränke Regelungskompetenzen. Im Anschluss wurden einzelne Forschungsergebnisse im Rahmen von drei parallelen Sessions vertieft.

In Session 1 ging es auf Basis von drei verschiedenen quantitativen Befragungen darum, wie Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum stehen. Dabei wurde deutlich, dass es durchaus hohe Zustimmung und Mehrheiten für viele Maßnahmen gibt, auch für Push-Maßnahmen (z.B. Tempo 30 oder autofreie Innenstädte). Uwe Böhme berichtete, dass dabei für Hannover keine Stadt-Land-Unterschiede beobachtet werden konnten. Tobias Escher zeigte, dass vor allem Umwelteinstellungen und die Verkehrsmittelwahl ursächlich für die Einstellung zu solchen Umverteilungsmaßnahmen sind. Viktoria Allert kam zu dem Ergebnis, dass diese Einstellungen in der Folge allerdings eher selten zu konkretem Handeln für oder gegen Verkehrswendemaßnahmen führen. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Identifikation mit einer Gruppe zu (z.B. Radfahrenden, oder auch der Nachbarschaft), die dann zu Handeln führt. 

In Session 2 wurden Einschränkungen und Potentiale von Bürger*innenbeteiligung an der Verkehrswende in den Blick genommen. Zunächst einmal wurde festgehalten, dass die konsultative Beteiligung an der Mobilitätsplanung in vielen Kommunen noch nicht allgegenwärtig ist. Dort, wo sie eingesetzt wird, lässt sich durchaus ein Einfluss auf die finale Planungsentscheidung feststellen. Die Forschung von Laura Mark zeigt aber, dass es dafür eine wichtige Rolle spielt, dass die Teilnehmerschaft und deren Beiträge von den Entscheidungstragenden als repräsentativ bewertet werden. Katharina Holec konnte auf Basis von Befragungen zeigen, dass sich Partizipationsverfahren vor allem bei denjenigen positiv auf die Einstellung zur lokalen Demokratie auswirken, deren Präferenzen sich am Ende in der Entscheidung wiederfinden. Der Prozess selbst sorgt damit eher weniger für Akzeptanz, wenn die Maßnahmen grundsätzlich abgelehnt werden.

In der dritten Session stand die Rolle digitaler Innovationen für die Verkehrswende im Mittelpunkt. Dabei wurden zum einen Sharing Dienste untersucht. Fabian Nikscha und Jan Gödde zeigten beide, dass E-Scooter-Sharing vorwiegend vor jungen Männern genutzt wird und dass es aktiver Steuerung bedarf, um Sharing-Dienste insgesamt noch inklusiver zu gestalten. E-Scooter und Ridepooling bieten ein beträchtliches Potential nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland. Zum anderen konnte Nadezda Krasilnikova zeigen, dass mobile Arbeit (Home-Office) auch im suburbanen Raum zu nachhaltiger Mobilität beitragen kann. Dazu muss es aber noch stärker durch Kommunen und die Unternehmen selbst gefördert werden.

In der Abschlussdiskussion kamen Vertreter*innen aus drei Kommunen zu Wort, die in den letzten Jahren intensiv mit den beiden Nachwuchsgruppen kooperiert haben. Sie teilten mögliche Erfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende aus ihrer Erfahrung in der Umsetzung vor Ort. So empfahl Bastian Hagmaier (Bereichsleitung Mobilität, Hansestadt Lüneburg) beispielsweise, sich bei Information zu und Partizipation an Mobilitätsmaßnahmen vor allem auf die bislang unentschiedenen Personen zu konzentrieren, da die Gegner*innen oder Befürworter*innen schon organisiert und gut vertreten seien. Johanna Grüne (Fachbereich Verkehrsentwicklung & -management, Region Hannover) hob vor allem die wichtige Rolle der Organisation von Mehrheiten in Politik und Verwaltung sowie von lokalen Netzwerken hervor, die in Stadt und Region gemeinsam an der Umsetzung der Verkehrswende arbeiten. Aus ihren Erfahrungen bei der Einführung eines E-Scooter-Sharings in Ronnenberg zog Janine Luschnat (Team Ökologie & Klimaschutz, Stadt Ronnenberg) nicht nur das Fazit, dass Verkehrsversuche sinnvoll sind, um Probleme zu erkennen und Akzeptanz zu gewinnen, sondern auch, dass die Verkehrswende im ländlichen Raum nicht grundsätzlich schwieriger umzusetzen sei, sondern nur anders.

Programm

Im Folgenden finden Sie einen Überblick über das detaillierte Programm. Die einzelnen Präsentationen können über die entsprechenden Links aufgerufen werden.

10:00 UhrBegrüßung und Vorstellung MoveMe & CIMT
Dr. Lisa Ruhrort (Hochschule für Wirtschaft & Umwelt Nürtingen-Geislingen)
Jun.-Prof. Dr. Tobias Escher (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)  
10:20 UhrAktuelle Herausforderungen der Verkehrswende aus kommunaler Sicht
Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Leiterin Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin)  
10:45 UhrKaffeepause
10:50 UhrAuswahl aus drei interaktiven Sessions mit Input aus den beiden Projekten

Wenig Platz, viele Wünsche: Wie stehen Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum? Unterwegs im Dialog: Einschränkungen und Potentiale von Bürger*innenbeteiligung an der Verkehrswende Digitalisierung und Verkehrswende: Shared Mobility & mobile Arbeit
12:00 UhrKaffeepause
12:15 UhrErfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende:
Fragen an die Praxis
Praxisvertreter*innen aus:
  • Johanna Grüne (Fachbereich Verkehrsentwicklung & -management, Region Hannover)
  • Bastian Hagmaier(Bereichsleitung Mobilität, Hansestadt Lüneburg)
  • Janine Luschnat(Team Ökologie & Klimaschutz, Stadt Ronnenberg)
Moderation: Dr. Lisa Ruhrort  
13:00 UhrEnde der Veranstaltung

KI zur Auswertung von Beteiligung? Das Potenzial von Sprachmodellen zur Erkennnung von Verkehrsmitteln in Beteiligungsbeiträgen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Julia Romberg und Tobias Escher ein Sprachmodell vor, mit dessen Hilfe Verkehrsmittel in Beteiligungsbeiträgen zuverlässig erkannt werden. Sie zeigen damit, dass überwachtes maschinelles Lernen die Auswertung von Beteiligungsbeiträgen mobilitätsbezogener Online-Beteiligungsverfahren sinnvoll unterstützen kann.

Zusammenfassung

Konsultationen sind ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsplanung und können dazu beitragen, Wissen aus der Bevölkerung in den Planungsprozess zu integrieren. Insbesondere durch Onlineformate kommen allerdings oft große Mengen an Beiträgen zustande, deren gründliche Auswertung ressourcenintensiv ist. Mit dem Einsatz von KI wird die Hoffnung verbunden, diese zu unterstützen.

Das in diesem Artikel vorgestellte Sprachmodell beruht auf dem Konzept des überwachten maschinellen Lernens zur Textklassifikation. Dabei werden vortrainierte Modelle mithilfe kleinerer Datensätze nachtrainiert. So kann ein Modell an einen speziellen Anwendungsbereich, wie beispielsweise verkehrsplanerische Konsultationsprozesse, angepasst werden.

Hier wurde eine vortrainierte deutschsprachige Version des leistungsfähigen RoBERTa Sprachmodells als Ausgangspunkt genommen. Anhand eines Kategorisierungsschemas, das hauptsächlich nach erwähnten Verkehrsmitteln unterscheidet, wurden 1.700 Beiträge aus sieben verkehrsplanerischen Konsultationsprozessen manuell kodiert. Die so entstandenen Daten wurden zum Teil als Trainingsdaten zum Fine-Tuning des Sprachmodells und zum Teil zur Evaluation genutzt.

Ergebnisse

  • Insgesamt konnte gezeigt werden, dass sich bereits heute verfügbare Sprachmodelle eignen, um die Auswertung von Konsultationsprozessen in der Praxis zu unterstützen. Das hier entwickelte Sprachmodell zur Erkennung der Verkehrsmittel kann dabei als Basis für eine konkrete Anwendung dienen.
  • Das nachtrainierte RoBERTa-Sprachmodell ist sehr gut in der Lage, die passenden Verkehrsmittel zuzuordnen. Das von uns vorgestellte Modell kann zuverlässig immer deutlich über 90% der Beiträge korrekt den darin genannten Verkehrsmitteln zuordnen.
  • Für die Verfahren, auf deren Beiträgen das Modell trainiert worden war, konnten im Durchschnitt 97% der Kategorien korrekt zugeordnet werden (auf einem separaten Testset). Für Beiträge aus anderen verkehrsbezogenen Beteiligungsverfahren konnten mit einer Genauigkeit von 91 bis 94% weiterhin sehr zuverlässig die passenden Verkehrsmittel zugeordnet werden.
  • Die Leistung des Modells verschlechtert sich also kaum, wenn es auf bislang unbekannte Daten aus mobilitätsbezogenen Beteiligungsverfahren angewandt wird. Das bedeutet, dass eine manuelle Kodierung im Vorfeld zumindest bei ähnlich aufgestellten Beteiligungsverfahren entfallen kann, was den Aufwand deutlich reduziert.

Publikation

Mark, Laura; Romberg, Julia; Escher, Tobias (2024). KI zur Auswertung von Beteiligung? Das Potenzial von Sprachmodellen zur Erkennung von Verkehrsmitteln in Beteiligungsbeiträgen. In: Internationales Verkehrswesen 76 (1): 12-16. DOI: 10.24053/iv-2024-0003

Die Konsultation von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten: Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland

In diesem Artikel in der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung stellen Laura Mark, Katharina Holec und Tobias Escher die Ergebnisse einer Erhebung zu Umfang und Ausgestaltung von Konsultation bei kommunaler Planung mit Mobilitätsbezug vor. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Aussagen über die Beteiligungslandschaft in Deutschland ableiten.

Die Ergebnisse wurden im Juni 2023 in einer früheren Fassung auf der 18. Jahrestagung des Arbeitskreises Mobilität und Verkehr (AK MoVe) vorgestellt.

Zusammenfassung

Kommunen als wesentliche Akteure der Verkehrswende nutzen bei der Planung verstärkt konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung. Bislang ist jedoch unklar, in welchem Ausmaß sie Beteiligungsverfahren bei der mobilitätsbezogenen Planung einsetzen und wie diese gestaltet werden. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Verkehrswende ist eine solche Bestandsaufnahme aber höchst relevant, um die praktische Bedeutung von Partizipationsverfahren abzuschätzen und die Rolle verschiedener Verfahrenstypen und -kontexte besser untersuchen zu können.

Die Erhebung schließt diese Lücke auf Basis einer Auswertung der konsultativen, diskursiven Beteiligungsangebote für mobilitätsbezogene Planungen deutscher Städte seit 2015. Untersucht wurden Städte mit Leitlinien für Bürgerbeteiligung, die mit einer Zufallsauswahl aus ‘typischen‘ Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen sowie den drei deutschen Stadtstaaten verglichen wurden.

Auf Basis dieser rund 180 Städte und 350 Verfahren wird deutlich, dass diskursive Konsultationen zwar regelmäßig durchgeführt werden, vor allem in Kommunen mit Leitlinien sowie größeren Städten. Kritisch zu bewerten ist, dass die dabei eingesetzten Formate meist nur bestimmte Gruppen der Bevölkerung erreichen können und dass sich oft keine Angaben zu den Ergebnissen der Beteiligung auffinden lassen. Damit kommen die Potentiale diskursiver Bürger*innenbeteiligung bei der Bewältigung der kommunalen Verkehrswende bislang zu wenig zum Tragen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Beteiligung an kommunalen Planungsverfahren mit Mobilitätsbezug ist keine Ausnahme mehr, aber auch noch nicht die Regel. Basierend auf den Daten unserer Stichprobe kann man davon ausgehen, dass es in den meisten Kommunen in Deutschland im betrachteten Zeitraum keine Möglichkeit gab, sich an solchen Verfahren zu beteiligen.
  • Generell beteiligten Städte mit Leitlinien ihre Bürger*innen häufiger, öfter und mit vielfältigeren Themen und Formaten. Mittel- und Großstädte beteiligten deutlich häufiger als Kleinstädte.
  • Bei den eingesetzten Beteiligungsformaten zeigen sich Schwächen: Der Großteil der Kommunen setzten auf selbst-selektierte Auswahlprozesse. Erste Versuche mit zielgruppenspezifischen Formaten oder vereinzelt auch Zufallsauswahl sind v.a. in den Kommunen mit Leitlinien und in den Stadtstaaten zu finden. Auch wurde ein großer Anteil der Verfahren rein online durchgeführt.
  • Für 5 bis 10% der Verfahren ließ sich kein aktueller Stand auffinden, für einen größeren Teil war unklar, was nach der Konsultation passierte. Dies trifft für alle Kommunen zu, wenn auch weniger stark auf solche mit Leitlinien und lässt sich als Mangel an Transparenz und Wirkung der Beteiligung werten.

Publikation

Mark, Laura; Holec, Katharina; Escher, Tobias (2024). Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten. Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung: 1-16. DOI: 10.14512/rur.2239.

Datengrundlage

Die Datengrundlage, also die systematisch erhobene Zusammenstellung der Beteiligungsverfahren und deren Kodierung nach bestimmten Aspekten, findet sich zur Recherche und zum Download hier.

Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Annika Busch-Geertsema, Jessica LeBris, Gesa Matthes und Kerstin Stark einen praxistauglichen Ansatz vor, um die Gerechtigkeit von Verkehrswend-Maßnahmen in verschiedenen Dimensionen zu überprüfen. Der Ansatz sowie der Artikel sind im Kontext des Arbeitskreises „Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) entstanden.

Zusammenfassung

Vorgestellt wird ein praxistaugliches Instrument, um einen systematischen „zweiten Blick“ auf Verkehrswende-Maßnahmen mit einer Brille der Gerechtigkeit werfen zu können. Es kann dabei sowohl für die konzeptionelle Unterstützung bei Planung und Umsetzung, zur Reflexion während oder nach des Prozesses sowie für ein fortlaufendes Monitoring genutzt werden.

Anhand von drei Gerechtigkeitsdimensionen kann überprüft werden, welche Bevölkerungsgruppen von der Maßnahmen profitieren. Als Dimensionen dienen dabei Verteilungsgerechtigkeit, Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten und Verfahrensgerechtigkeit, die weiter ausdifferenziert und in einer einfach handhabbaren Matrix miteinander verschnitten wurden.

Um die Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten auszudifferenzieren, wird mit dem Persona-Ansatz gearbeitet. In einer Persona sind bestimmte Eigenschaften kombiniert, die Mobilitätsoptionen und -entscheidungen sowie Aktivitätsketten beeinflussen und einschränken können. Im Artikel wird eine Systematik für die Entwicklung eigener Personas vorgeschlagen, für die Anwendung können aber auch die bereits von den Autorinnen entwickelten Personas genutzt werden.

Im Artikel wird der Ansatz der Gerechtigkeitsdimensionen und der Personas genauer vorgestellt. Er kann hier heruntergeladen werden.

Außerdem kann das Bewertungswerkzeug einschließlich einer Nutzungsanleitung und Vorschlägen für Personas im Excel-Format auf der Seite des AK Mobilität der ARL heruntergeladen werden (nach unten scrollen).

Die Autorinnen freuen sich über Rückmeldung und ermutigen zur freien Verwendung und Weiterentwicklung.

Publikation

Mark, Laura; Busch-Geertsema, Annika; LeBris, Jessica; Matthes, Gesa; Stark, Kerstin (2023): Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen. In: Internationales Verkehrswesen 75 (4), S. 28–31.

Der Einfluss von (Online-)Konsultationsverfahren auf Legitimitätsüberzeugungen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Policy & Internet gehen Tobias Escher und Bastian Rottinghaus der Frage nach, wie sich die Beteiligung an lokalen Konsultationsverfahren (zur Radverkehrsplanung) auf die Einstellung zur lokalen Politik auswirkt. Dazu untersuchten sie im Jahr 2018 insgesamt drei Beteiligungsverfahren, in denen die Städte Bonn, Köln (Bezirk Ehrenfeld) und Moers ihre Bürger*innen zur lokale Radinfrastruktur konsultiert haben. Dazu konnten die Bürger*innen jeweils für fünf Wochen auf einer Online-Plattform Vorschläge einreichen, kommentieren und bewerten. Insgesamt wurden so über 3.000 Vorschläge gesammelt, die in die spätere Radverkehrsplanung einfließen sollten (siehe weitere Informationen zum Projekt der Raddialoge).

Zusammenfassung

Um Legitimität für Policies und politische Institutionen zu schaffen, beziehen Regierungen die Bürger*innen regelmäßig in den Entscheidungsprozess ein, zunehmend auch mit Hilfe des Internets. Diese Studie untersucht, ob sich Online-Beteiligung tatsächlich positiv auf die Legitimitätsüberzeugungen der beteiligten Bürger*innen auswirkt und welche konkreten Aspekte des Beteiligungsprozesses, der einzelnen Teilnehmenden und des lokalen Kontexts zu diesen Veränderungen beitragen. Unsere Befragungen von Teilnehmenden an nahezu identischen Online-Konsultationen in drei deutschen Kommunen zeigen, dass der Beteiligungsprozess und die von ihm erwarteten Ergebnisse einen erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit mit lokalpolitischen Institutionen und kommunaler Politik haben. Während die meisten Teilnehmenden zumindest von etwas positiveren Einschätzungen berichten, die hauptsächlich von der Einschätzung der Wirkungen abhängen, führt die Beteiligung an dem Prozess für einige nicht zu mehr, sondern sogar zu weniger Legitimität. Dies gilt sowohl für die Teilnehmenden, die sich nicht öffentlich äußern, als auch für diejenigen, die sich intensiv beteiligen. Unsere Ergebnisse bestätigen auch die wichtige Rolle verfügbarer individueller Ressourcen und kontextbezogener Einstellungen wie Vertrauen in und Zufriedenheit mit der lokalen (nicht der nationalen) Politik. Schließlich zeigt unsere Analyse, dass Online-Beteiligung in der Lage ist, konstruktive Diskussionen zu ermöglichen, nützliche Ergebnisse zu liefern und Menschen zur Partizipation zu bewegen, die sich offline nicht beteiligt hätten.

Ergebnisse

  • Die von uns untersuchten Beteiligungsverfahren, zu denen die Stadt jeweils ihre Bürger*innen eingeladen hat, haben tatsächlich einen Einfluss auf die Einstellungen derjenigen, die sich an solchen Konsultationen beteiligen.
  • Für viele der Teilnehmenden tritt der erhoffte positive Effekt ein: Sie äußern sich positiver zu den lokalen Institutionen (Bürgermeister, Verwaltung) und der lokalen Politik insgesamt. Entscheidend für die Einschätzung ist dabei, ob man erwartet, dass die Politik die Vorschläge der Bürger*innen auch ernst nimmt und umsetzt. Das Ergebnis ist also wichtiger als der Prozess selbst.
  • Ein wichtiges Ergebnis ist: Beteiligungsprozesses können diese positive Wirkung auch für diejenigen entfalten, die zunächst eher unzufrieden mit der lokalen Politik sind. Dennoch spielt die bisherige Erfahrung mit der Politik vor Ort eine Rolle: Wer bereits eine höhere Zufriedenheit und ein höheres Vertrauen zur Kommune hat, der oder die wird durch Beteiligung bestärkt.
  • Gleichzeitig kann Partizipation auch zu weniger Zufriedenheit führen. Nachweisen konnten wir das zum einen für diejenigen, die sich intensiv in das Beteiligungsverfahren einbringen und sehr viele Vorschläge gemacht haben. Im Schnitt war diese Gruppe am Ende weniger zufrieden, wohl auch deshalb, weil ihre Erwartungen an den Einfluss ihrer Mühe enttäuscht wurden. Unzufriedener wurden auch diejenigen, die sich nicht aktiv eingebracht haben, sondern sich das Online-Verfahren nur angeschaut haben, ohne selbst Vorschläge zu machen. Diese Personen haben sich offenbar vor allem daran gestört, dass der Prozess ausschließlich online stattgefunden hat.
  • Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse aber, dass solche Online-Parizipationsverfahren nicht nur konstruktive Beteiligung ermöglichen, sondern dass dadurch zusätzlich Gruppen erreicht werden: Fast die Hälfe der Befragten hätte sich nicht beteiligt, wenn das Verfahren nur mit Vor-Ort Formaten durchgeführt worden wäre.

Publikation

Escher, Tobias; Rottinghaus, Bastian (2023). Effects of online citizen participation on legitimacy beliefs in local government. Evidence from a comparative study of online participation platforms in three German municipalities. In: Policy & Internet 16(1): 173-208. DOI: 10.1002/poi3.371.

Verkehrswende konkret: Perspektiven der SÖF-Nachwuchsgruppen mit Schwerpunkt Mobilität

Gemeinsam mit CIMT starteten im Jahr 2019 zwei weitere BMBF-geförderten Nachwuchsgruppen in der sozial-ökologischen Forschung mit einem Fokus auf dem Verständnis und der Gestaltung der Verkehrswende: Experi, mit einem Fokus auf der Rolle von Reallaboren für die Mobilitätswende, und MoveMe mit einem besonderen Augenmerk auf den Besonderheiten für die Verkehrswende im suburbanen Raum.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche theoretische und empirische Beiträge erarbeitet, und mittlerweile liegen in allen drei Nachwuchsgruppen zahlreiche Erkenntnisse vor. Im Rahmen eines gemeinsamen zweitägigen Workshops haben sich die drei Nachwuchsgruppen am 25. &. 26. Oktober in Hannover zu einem intensiven Austausch getroffen.

Ziel war die Vorstellung der jeweiligen Erkenntnisse, der Austausch über gemeinsame Herausforderungen, und die Identifikation möglicher Schnittstellen. Unter dem übergeordneten Anliegen der Gestaltung der Verkehrswende wurden dabei eine Reihe von Themen deutlich, zu denen in den Gruppen mit verschiedenen theoretischen Ansätzen und empirischen Methoden neue Perspektiven erarbeitet werden. Dazu gehören die Akzeptanz von Verkehrswendemaßnahmen, die Bedeutung von Partizipation und Konsultationsprozessen sowie die konkreten Optionen für eine Ausgestaltung zukünftiger Mobilität.

Der Workshop soll als Impuls dienen, in Zukunft verschiedene Formate der Zusammenarbeit auszuloten, z.B. in Form von gemeinsamen Veranstaltungen, Publikationen oder Projekten.

Inklusive Demokratie, Nachhaltige Demokratie?

Dissertation von Katharina Holec

In meiner Dissertation an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf untersuche ich die Effekte deskriptiver und substantieller Repräsentation in und durch Beteiligungsverfahren auf die Legimitätseinstellungen von Bürger*innen.

Zusammenfassung

Legitimität – als Summe individueller Überzeugungen über die Angemessenheit und Akzeptanz einer politischen Gemeinschaft, ihres Regimes und ihrer Autoritäten – ist das Schlüsselelement zur Stabilisierung demokratischer Systeme. Unzufriedenheit mit der Demokratie nehmen jedoch zu und in der Bevölkerung entstehen leicht Vorstellungen von Demokratie, die sich voneinander unterscheiden können. Es scheint für ein langfristig stabiles und nachhaltiges politisches System nicht mehr sinnvoll Partizipationsmöglichkeiten auf Wahlen zu beschränken.

Zur Lösung dieser „Legitimitätsproblem“ schlagen viele Demokratietheoretiker und -forscher mehr Möglichkeiten der politischen Beteiligung am demokratischen Prozess vor. Konsultationen sind ein Mittel, das von den Kommunen häufig eingesetzt wird, um die Zufriedenheit und das Verständnis für politische Prozesse zu erhöhen. Doch die konsultative Beteiligung verspricht oft mehr als sie halten kann. Wie jede politische Beteiligung ist auch die Konsultation verzerrt. Die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft beeinflusst, wer sich beteiligt. Und wer teilnimmt, beeinflusst letztlich auch das Ergebnis eines Prozesses. Das Risiko, marginalisierte Stimmen im Prozess zu verlieren, ist in diesen Prozessen hoch.
In meine Dissertationsprojekte möchte ich ein detailliertes Verständnis der Vorteile des Einbezugs dieser Stimmen für die Überzeugung von der lokalen demokratischen Legitimität entwickeln. Orientiert an den Ideen von Hannah Pitkin (1972) zur deskriptiven und substantiellen Repräsentation in der Politik entwickle ich ein Modell, dass diese Aspekte im Kontext konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung an der Verkehrswende misst und darstellt.

Ich schaue mir dabei folgende Fragen im Detail an:
(a) Erhöht die deskriptive Repräsentation im Input eines konsultativen Beteiligungsprozesses die substanzielle Repräsentation im Ergebnis eines politischen Prozesses?
(b) Wie wichtig sind deskriptive und substanzielle Repräsentation für die Stärkung der Legitimitätsüberzeugungen nach dem politischen Prozess?

Dabei konzentriere mich speziell auf drei Ebenen des politischen Entscheidungsprozesses: (1) die Input-Ebene, auf der ich die deskriptive Repräsentation für relevant halte, (2) die Throughput-Ebene, auf der ich die substanzielle Repräsentation als „speaking for“ für relevant halte, und (3) die Outcome-Ebene, auf der ich die substanzielle Repräsentation als „acting for“ durch die lokalen Kommunen für relevant halte. Während ich (1) und (2) als relevante Kriterien für die Erhöhung der Legitimitätsüberzeugung durch die Verbesserung des politischen Prozesses betrachte (prozedural), halte ich (3) für die Erhöhung der Legitimitätsüberzeugung durch die Verbesserung der realen Lebensbedingungen für relevant (substanziell).

Verkehrswende durch Öffentlichkeitsbeteiligung? Policy-Wirkung diskursiver, konsultativer Invited Spaces am Beispiel zweier Verkehrsplanungsprojekte in Hamburg

Doktorarbeit von Laura Mark

In meinem Dissertationsprojekt an der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen (2019 – 2025) habe ich anhand zweier Fallstudien die inhaltliche Wirkung konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung auf verkehrsplanerische Entscheidungen und die Implikationen für die Verkehrswende untersucht.

Nach der erfolgreichen Disputation im Februar 2025 wird die Arbeit in den folgenden Monaten veröffentlicht.

Zusammenfassung

Eine partizipativ gestaltete sozial-ökologische Verkehrswende ist dringend nötig. Bei Verkehrsplanungen der öffentlichen Hand erfolgt die Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit hauptsächlich über konsultative top-down Formate (Invited Spaces). Damit wird der Anspruch verbunden, dass die Öffentlichkeit die Planung inhaltlich beeinflusst oder sogar ‚verbessert‘. Ob und unter welchen Bedingungen das der Fall ist, ist aber insbesondere im Kontext der Verkehrswende unklar. Untersucht wird in dieser Arbeit die Policy-Wirkung von Beteiligung, also deren inhaltliche Wirkung auf Verkehrsplanung. Insbesondere wird untersucht, unter welchen Umständen Beteiligung inhaltlich wirkungsvoll ist und, inwiefern diese Wirkung ein Potential für die Verkehrswende darstellen kann.
Detailliert untersucht werden dazu zwei Hamburger Fallstudien mit unterschiedlichen partizipativen Herangehensweisen: Erstens die Überplanung der Elbchaussee und zweitens die autoarme Gestaltung des Stadtteils Ottensen. Angelehnt an den methodischen Ansatz des Process Tracing wird anhand theoretisch ausgearbeiteter Mechanismen-Skizzen für beide Fallstudien detailliert rekonstruiert, ob und wie Policy-Wirkung zustande kommt. Dies wird anhand theoretisch aus dem Leitbild der Integrierten Verkehrsplanung hergeleiteter Kriterien für Ergebnis- und Prozessdimension bewertet. Die Analyse basiert auf einer Kombination verschiedener qualitativer Daten, nämlich Interviews, Medienanalyse, Dokumentenanalyse und teilnehmender Beobachtung, sowie quantitativer Befragungsergebnisse aus dem Forschungsprojekt CIMT.

Ergebnisse

Aus der vergleichenden Auswertung wird abgeleitet, dass Invited Spaces signifikante Policy-Wirkung haben können, dies aber voraussetzungsreich ist. Die konzeptionelle Unterscheidung dreier Wirkmechanismen wird vorgeschlagen, nämlich erstens die ‚freiwillige‘ Einarbeitung von Expertise von planerisch-administrativer Seite, zweitens die Ausrichtung der Planung an den Grundaussagen der Beteiligung von Seiten der Politik (Kompassfunktion), und drittens die Erzeugung von Druck von Seiten der Öffentlichkeit. Zudem wird die implizite Begrenzung des möglichen Einflusses der Bevölkerung (Nicht-Entscheidung) als gegenläufiger Mechanismus identifiziert. Den Ergebnissen aus den Fallstudien zufolge sind für Policy-Wirkung insbesondere Faktoren auf Ebene von Kontext und Planungsprozess und deren Zusammenwirken relevant und geben der Beteiligung mehr oder weniger Policy-Relevanz. Bezüglich der Verkehrswende kommt diese Arbeit zu dem Schluss, dass Invited Spaces ein Potential haben, zu dieser beizutragen, wenn bereits der politische Wille und Unterstützung aus der Gesellschaft vorhanden ist, aber nur in Kombination mit Claimed Spaces dazu geeignet sind, autogerechte Strukturen aufzubrechen
Über die detaillierte Untersuchung der Wirkbeziehungen und die normative Einbettung tragen die Erkenntnisse zum Verständnis von Potentialen und Grenzen von Invited Spaces im Kontext der Verkehrswende bei. Sie knüpfen damit an Diskurse in den Planungs- und Politikwissenschaften an und können Ausgangspunkt für praktische Überlegungen zur Beteiligung an der Verkehrswende sein.

3. Praxisworkshop zu ersten Ergebnissen aus den Befragungen in Projektkommunen

Am 30. November haben wir Vertreter*innen der mit uns kooperierenden Kommunen eingeladen, um uns mit diesen über die ersten Ergebnisse aus den umfangreichen Befragungen unserer Forschungsgruppe auszutauschen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie die jeweiligen Beteiligungsverfahren von den Teilnehmenden eingeschätzt werden, und welche Aspekte zur Teilnahme motivieren, oder davon abhalten.

Trotz der Verschiedenheit der von uns untersuchten fünf Projekte (und der bislang z.T. noch geringen Zahl der Teilnehmenden) weisen die Einschätzungen der an solchen Prozessen partizipierenden Personen relativ große Übereinstimmungen auf. Insgesamt zeigen sich eher positive Bewertungen für die Beteiligungsverfahren im Hinblick auf den Diskussionsverlauf und die Transparenz. Gleichzeitig gibt es aber auch in allen Verfahren vergleichbare Herausforderungen. So wird z.B. die Repräsentation der eigenen Interessen als relativ gut bewertet, es werden aber Lücken in der Repräsentation anderer Meinungen wahrgenommen. Auch gelingt nicht immer ein Ausgleich der Interessen. Darüber hinaus sind die Teilnehmenden eher skeptisch, was die tatsächlichen Wirkung der Beteiligungsergebnisse auf den politischen Prozess angeht, wenn sie diese auch nicht ausschließen.

Einschätzung des von den Teilnehmenden besuchten Beteiligungsformats.
N=286 (Altona: 61, Marburg: 22, Offenburg: 40, Ottensen: 158, Wuppertal: 5)

Interessante Unterschiede zeigen sich auch zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden. Beispielhaft zeigt die untenstehende Auswertung die Anworten auf die Frage danach, wie der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen sollte. In der Regel befürworten Personen, die am Beteiligungsverfahren teilgenommen haben (T) grundsätzlich eher eine Umgestaltung zur Förderung von Fahrrad- und Fußverkehr als die Personen, die sich nicht an diesen Verfahren beteiligt haben (nT). So finden sich also unter den Teilnehmenden eher Befürworter*innen der Verkehrswende. Allerdings zeigen sich auch hier durchaus Unterschiede zwischen den Verfahren, die darauf hindeuten, dass die Motive sich einzubringen durchaus sehr verschieden ausfallen können – ein Aspekt, den wir in den zukünftigen Analysen weiter verfolgen werden.

Frage: Wie soll der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen?
Dargestellt nach teilgenommen (T) oder nicht teilgenommen (nT) am Partizipationsverfahren
N=1.587 (Altona: 432, Marburg: 417, Offenburg: 254, Ottensen: 342, Wuppertal: 142)

Der Praxisworkshop hatte das Ziel, diese ersten Befunde gemeinsam zu reflektieren, gerade auch im Vergleich des jeweils „eigenen“ Verfahrens mit den Ergebnissen aus den anderen untersuchten Kommunen. Dieser Austausch hat uns wichtige Hinweise auf mögliche Zusammenhänge geliefert und verdeutlicht, wo weiterer Klärungsbedarf besteht.

Die dargestellten Beispiele sind ein erster Einblick in die große Fülle an Daten, die mit Hilfe der Befragungen gesammelt wurden und die im Jahr 2023 noch erweitert werden wird (siehe Hintergrund unten). Der gemeinsame Austausch mit den kommunalen Partner*innen hatte daher auch den Zweck, genauer zu klären, welche Informationen für die kommunale Beteiligungspraxis relevant sind, und in welchen Formaten die gemeinsamen Diskussionen am sinnvollsten fortgeführt werden können.

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Partner*innen für Ihre Zeit und Ihre Ideen!

Zum Hintergrund

Im Rahmen unserer Forschung interessieren wir uns insbesondere dafür, welche Rolle Bürger*innenbeteiligung beim Gelingen der Verkehrswende spielen kann. Dafür untersuchen wir unter anderem fünf verschiedene Beteiligungsverfahren:

Für jedes Projekt wurde von uns ein umfangreiches Programm an Befragungen durchgeführt. Dafür haben wir zum einen eine Zufallsauswahl aus der gemeldeten Bevölkerung mit einem Fragebogen angeschrieben. Zum anderen wurden von uns im Rahmen der verschiedenen Beteiligungsformate Teilnehmer*innen befragt. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die Befragungszeiträume einschließlich der Ausschöpfungsquoten der von uns durchgeführten Bevölkerungsbefragungen. Insgesamt wurden bislang rund 1.600 Personen befragt, von denen rund 300 an einem der untersuchten Beteiligungsverfahren teilgenommen haben.

Übersicht über durchgeführte Befragungen von Bevölkerung und Teilnehmenden (Prozentwerte geben Rücklaufquoten der Bevölkerungsbefragung wieder)

Sozialräumliche Gerechtigkeit durch Öffentlichkeitsbeteiligung?

In dieser Präsentation auf dem Jahreskongress der AESOP (Assosiation of European Schools of Planning) im Jahr 2022 stellten Laura Mark, Katharina Huseljić und Tobias Escher ein Framework für sozialräumliche Verteilungsgerechtigkeit und den möglichen Beitrag von Konsultation vor. Sie untersuchten dann unter Verwendung qualitativer und quantitativer Daten diesen Beitrag für das Fallbeispiel des konsultativen Planungsprozesses an der Elbchaussee in Hamburg.

Zusammenfassung

Unser derzeitiges Verkehrssystem weist erhebliche sozialräumliche Ungerechtigkeiten auf, da es sowohl erhebliche negative Umweltauswirkungen hat als auch bestimmte sozioökonomische Gruppen strukturell benachteiligt. Planungsprozesse beinhalten zunehmend Elemente der Öffentlichkeitsbeteiligung, oft verbunden mit der Hoffnung, unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse besser verstehen und in den Planungsprozess integrieren zu können. Bislang gibt es jedoch kaum Erkenntnisse darüber, ob die Beteiligung der Öffentlichkeit tatsächlich zu mehr sozialräumlicher Gerechtigkeit führt.

Um sich dieser Frage zu nähern, konzentrieren wir uns auf sozialräumliche Gerechtigkeit als Verteilungsgerechtigkeit und untersuchen, inwieweit konsultative Planungsverfahren tatsächlich zu Maßnahmen führen, die sowohl zur Nachhaltigkeit beitragen (d.h. negative externe Effekte reduzieren oder umverteilen) als auch die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen (z.B. Menschen mit geringem Einkommen oder geringer Bildung, Frauen und behinderte Menschen) berücksichtigen. Zu diesem Zweck haben wir das Fallbeispiel des Umbaus der Elbchaussee, einer repräsentativen Hauptverkehrsstraße von gesamtstädtischer Bedeutung im Bezirk Altona in Hamburg, Deutschland, eingehend untersucht. Wir stützen uns dabei sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Daten, darunter Interviews mit Expert*innen und Bürger*innenbefragungen.

Wir zeigen erstens, dass der Prozess zu Planungsmaßnahmen geführt hat, die leicht zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen. Zweitens werden die Maßnahmen voraussichtlich insbesondere durch die Verbesserung der Situation für Fußgänger und Radfahrer sowie der Aufenthaltsqualität zu mehr Gerechtigkeit für einige Gruppen beitragen, was aber nur von nicht-männlichen Gruppen so eingeschätzt wird. Darüber hinaus gibt es keine Auswirkungen für Menschen mit geringem Einkommen, geringer Bildung, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder mit besonderen Mobilitätsbedürfnissen, die häufig für diese Gruppen besonders relevant sind sind. Insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass der konsultative Planungsprozess nur einen geringen Beitrag zur sozialräumlichen Gerechtigkeit leistet, und diskutieren abschließend mögliche Erklärungen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Der konsultative Planungsprozess führte insgesamt zu Maßnahmen, die einen kleinen Beitrag zur sozialräumlichen Gerechtigkeit leisten, da sie den Wandel zu einer nachhaltigeren Mobilität unterstützen und einigen benachteiligten Gruppen zugute kommen, wenn auch beides in begrenztem Maße.
  • Wir stellen fest, dass das Konsultationsverfahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Planung hatte. Was die sozialräumliche Gerechtigkeit betrifft, so lassen sich keine positiven Auswirkungen auf das Konsultationsverfahren zurückführen. Vor allem diejenigen, die an der Konsultation teilgenommen haben, berichten tatsächlich von einer geringeren Zufriedenheit mit den Maßnahmen.
  • Wir führen diese begrenzten Beiträge auf einige allgemeine Merkmale von Konsultation und des derzeitigen Planungssystems zurück, stellen aber auch fest, dass in dem Fallbeispiel der Umfang der möglichen Einflussnahme aufgrund externer Beschränkungen und Machtungleichgewichte sehr begrenzt war.

Publikation

Wir arbeiten momentan an einer Veröffentlichung für eine Fachzeitschrift mit Peer-Review. Diese Veröffentlichung wird hier nach Fertigstellung verlinkt.